Faktencheck: Transmutation
Wissenschaftler:innen weltweit forschen seit Jahrzehnten zu verschiedenen Optionen, hochradioaktive Abfälle zu entsorgen. Eine Variante, die in diesem Zusammenhang immer wieder thematisiert wird, ist die Transmutation. Im Folgenden erklären wir, wie das Verfahren funktioniert, ob es einsetzbar ist und welche Vor- und Nachteile es birgt.
Mit dem Verfahren der Transmutation sollen Menge und Halbwertszeit der hochradioaktiven Abfälle deutlich verringert werden. Doch kann die Technologie das tatsächlich leisten? Stellt sie wirklich, wie zum Teil behauptet wird, eine Alternative zur Endlagerung in Gesteinsschichten unter der Erdoberfläche dar?
Was ist Transmutation?
Transmutation bedeutet im Zusammenhang mit den hochradioaktiven Abfällen, dass langlebige radioaktive Atomkerne (Radionuklide) in kurzlebigere umgewandelt werden. Sollte dies tatsächlich eines Tages technisch möglich sein, würden die hochradioaktiven Stoffe nicht mehr für hunderttausende Jahre Menschen und Umwelt gefährden, sondern für einen deutlich kürzeren Zeitraum. Die Menge der zu entsorgenden hochradioaktiven Abfälle würde sich verringern, allerdings würde sich im Gegenzug das Volumen der schwach- und mittelradioaktiven Abfälle vergrößern.
Wie funktioniert Transmutation?
Das technische Verfahren nennt sich P&T (Partitionierung und Transmutation) und besteht aus drei Schritten: Abtrennung, Brennstofffertigung und Umwandlung. Bei der Abtrennung werden zunächst aus den abgebrannten Brennelementen bestimmte langlebige radioaktive Atomkerne (Transurane) herausgelöst. Dies geschieht in Wiederaufarbeitungsanlagen. Anschließend werden die abgetrennten Atomkerne zu neuen Brennelementen verarbeitet und in speziellen Reaktoren mit Neutronen beschossen. Der Großteil der langlebigen Atomkerne wird aufgespalten und in kurzlebigere Atomkerne umgewandelt. Das P&T-Verfahren muss allerdings viele Male wiederholt werden, da bei jedem Durchgang nur ein Teil der Transurane umgewandelt werden kann.
Was sind die Vor- und Nachteile von P&T?
Der erste Schritt des P&T-Verfahrens, die Abtrennung der Atomkerne, wird bereits in der Wiederaufarbeitung genutzt, allerdings nur für Uran und Plutonium. Um auch die übrigen Transurane abtrennen zu können, bedarf es erheblicher technischer Weiterentwicklungen. Bislang gelang dies nur im Labor. Auch der zweite Schritt, die Brennstofffertigung, befindet sich noch in einem relativ frühen Entwicklungsstadium. Gleiches gilt für den letzten Schritt, die Umwandlung der Atomkerne. Bislang existiert keine industriereife Transmutationsanlage. Angesichts dieser Tatsachen ist unklar, ob die P&T-Technologie überhaupt großtechnisch einsetzbar sein wird.
Die Endlagerkommission, die zum Thema P&T zwei Gutachten in Auftrag gab, kam zu dem Schluss, dass es mindestens vier bis fünf Jahrzehnte dauern wird, ggf. auch länger, bis P&T industriell einsetzbar wäre. Aber die alleinige Verfolgung einer Technologie, bei der unklar ist ob und wann sie einsetzbar wäre, ist mit dem Verantwortungsprinzip nicht vereinbar. Auch für die zukünftigen Generationen ist es wichtig, so bald wie möglich eine sichere Lösung für die hochgefährlichen Stoffe zu finden.
Auch P&T produziert weiterhin radioaktive Abfälle: Nicht alle Transurane werden bei dem Verfahren umgewandelt. Hinzu kommen die sogenannten Spaltprodukte, die neben den Transuranen bei der Kernspaltung entstehen. Zudem müssen die Abfälle aus der Wiederaufarbeitung endgelagert werden, da sie nicht transmutiert werden können. Sollte das P&T-Verfahren eines Tages großtechnisch einsetzbar sein, müssten zwar weniger langlebige Atomkerne eingelagert werden. Die Menge an schwach- und mittelradioaktiven Abfällen würde sich allerdings erheblich erhöhen.
Für das P&T-Verfahren müssten außerdem Reaktoren gebaut werden, in denen die Transurane umgewandelt werden. Etwa fünf bis sieben derartige Anlagen müssten schätzungsweise zwischen 150 und 300 Jahren laufen, um den gesamten deutschen Abfall zu transmutieren. Zeiträume unter 100 Jahren ließen sich nur mit deutlich mehr Reaktoren oder höheren Reaktorleistungen erreichen. Das P&T-Verfahren würde somit den Aufbau einer umfangreichen kerntechnischen Industrie notwendig machen. Dies ist durch die derzeitige Gesetzeslage in Deutschland nicht gedeckt. Der Grund: Nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl und dem Atomunfall in Fukushima gibt es hierzulande einen breiten gesellschaftlichen Konsens darüber, dass künftig keine Kernkraftwerke und Wiederaufarbeitungsanlagen mehr betrieben werden sollen.
Transmutation – Wohin mit dem ganzen Müll?
Weltweit forschen Wissenschaftler seit Jahrzehnten an verschiedenen Möglichkeiten, hochradioaktive Abfälle zu entsorgen. Eine Variante, die es bisher nur in der Theorie gibt, ist die Transmutation. Mit diesem Verfahren sollen Menge und Halbwertszeit der Abfälle deutlich verringert werden. Wie funktioniert diese Technologie? Und stellt sie eine Alternative zur Endlagerung in tiefen geologischen Gesteinsschichten dar?
Die Zukunft
Für den Fall, dass P&T in den kommenden Jahrzehnten oder Jahrhunderten tatsächlich bis zur industriellen Reife weiterentwickelt wird und sich die Menge der hochradioaktiven Abfälle verringern ließe, sieht das Standortauswahlgesetz Korrekturmöglichkeiten vor. Die hochradioaktiven Abfälle sollen demnach bis zum Verschluss des Endlagers zurückgeholt werden können. Zudem sollen die Behälter mit den hochradioaktiven Rückstanden nach Verschluss noch fünfhundert Jahre lang geborgen werden können.