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Die Infoplattform zur Endlagersuche.

Grenztemperatur

Am 28.03.2023 lud das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) zu einem öffentlichen Fachworkshop zum Thema „Grenztemperatur als Anforderung im Standortauswahlverfahren“ nach Berlin ein.

Ein glühendes Stahlrohr wird in der Produktion durch die Halle bewegt.

Zur Vor- und Nachbereitung des Workshops hat das BASE auf dieser Seite grundlegende Informationen zum Thema und dem aktuellen Diskussionsstand zusammengestellt. Die Vortragsfolien des Workshops finden Sie am Ende dieser Seite.

Was wird unter den Begriffen Grenztemperatur, Auslegungstemperatur und Temperaturkriterium verstanden?

Der Begriff Grenztemperatur bezeichnet im Standortauswahlgesetz die in einem Endlager für hochradioaktive Abfälle maximal zulässige Temperatur an der Außenfläche der Abfallbehälter. Diese Temperaturbegrenzung wird auch Temperaturkriterium genannt. Ein Überschreiten der Grenztemperatur kann durch technische Maßnahmen im Endlagerkonzept verhindert werden. Einfluss auf die Temperatur an der Behälteraußenfläche haben z. B. die Behälterbeladung (radioaktives Inventar), das Behälter- und Umgebungsmaterial oder die Abstände zwischen den Behältern. Diese und viele weitere Parameter gehen in die Planung des Sicherheits- und Endlagerkonzeptes in den vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen ein, welche die Vorhabenträgerin BGE mbH ausarbeiten muss.

Die für ein Endlager letztendlich veranschlagte Auslegungstemperatur, wird im Rahmen der Optimierung von Sicherheitskonzept und Auslegung unter Berücksichtigung aller relevanten Aspekte (neben Langzeitsicherheit auch z. B. Betriebssicherheit und Rückholbarkeit) von der Vorhabenträgerin abgeleitet.

Warum wird die Grenztemperatur aktuell diskutiert?

Im aktuellen Schritt 2 der Phase 1 des Standortauswahlverfahrens werden von der Vorhabenträgerin in den repräsentativen vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen vorläufige Endlagerkonzepte erstellt. In diesem Rahmen wird auch das Endlager technisch ausgelegt und optimiert. Bei der technischen Auslegung geht es beispielsweise um die Größe des Endlagers, welche direkt von den Auslegungstemperaturen beeinflusst wird.

Die sicherheitstechnische Bewertung der Vorschläge der BGE mbH wird durch die Aufsichtsbehörde BASE am Ende einer jeden Phase des Auswahlprozesses vorgenommen.

Das StandAG sieht vor, dass die in § 27 Abs. 4 bestimmte vorsorgliche Festlegung der Grenztemperatur auf 100 °C für die jeweiligen Wirtsgesteine aufgrund von Ergebnissen aus weiteren Forschungsarbeiten geändert werden kann. Eine zeitliche Festlegung, bis wann diese Forschungsarbeiten abgeschlossen sein müssen, enthält das StandAG nicht. Die Endlagerkommission hatte allerdings empfohlen, noch offene Fragestellungen bis zum Ende der Phase 1 zu klären.

Zu dieser Frage wurden bereits verschiedene Arbeiten durchgeführt: Das BASE hat in seiner Funktion als Regulierungsbehörde Forschungsprojekte in Auftrag gegeben. Die ESK hat eine Stellungnahme hierzu verfasst. Und auch die Vorhabenträgerin BGE mbH arbeitet zu diesem Thema.

Warum kommt es zu einem Temperaturanstieg im Endlager und wie wird dieser bestimmt?

In den Abfällen findet während und auch nach ihrer Einlagerung radioaktiver Zerfall statt. Die dabei freiwerdende Wärme wird über die Oberfläche der Abfallbehälter an die umliegenden Endlagerkomponenten abgegeben. Somit erwärmt sich auch das Wirtsgestein. Maßgeblich für die Wärmeleistung sind die Art, Beschaffenheit und Zusammensetzung der Abfälle innerhalb der Behälter.

Warum ist die Grenztemperatur relevant für die Bewertung der Sicherheit eines Endlagers?

Infolge des Wärmeeintrages erhöht sich die Temperatur in den Endlagerkomponenten. Dies hat einen Einfluss auf die in einem Endlager ablaufenden sicherheitstechnisch relevanten Prozesse. Dabei gibt es sowohl bei niedrigen als auch bei hohen Temperaturen Prozesse, die sich sicherheitstechnisch vorteilhaft oder nachteilig auswirken. Die in einem Endlager ablaufenden Prozesse wirken zudem wechselseitig. Es ist wichtig, die sicherheitsrelevanten temperaturabhängigen Prozesse in Kombination mit Aspekten der Betriebssicherheit in ihrer Gesamtheit zu betrachten.

Steinsalz

Steinsalz

Im Wirtsgestein Steinsalz beschleunigt ein Temperaturanstieg unter anderem das sog. Salzkriechen und demzufolge die Schließung von Hohlräumen. Auf der anderen Seite kann eine hohe Temperatur die Freisetzung von Kristallwasser aus sog. Hydratsalzen ermöglichen, wodurch Spannungsunterschiede erzeugt und neue Wegsamkeiten entstehen können.

Tonstein

Tonstein

Im Tonstein können erhöhte Temperaturen zu Mineralumwandlungen führen, die sich negativ auf sicherheitsrelevante Eigenschaften wie das hohe Rückhaltevermögen gegenüber Radionukliden und das Quellvermögen des Tonsteins auswirken können. Bei vergleichsweise geringeren Temperaturen kann verstärkt mikrobielle Aktivität stattfinden und damit Korrosionsraten erhöht oder Gasbildung verstärkt werden.

Kristallingestein

Kristallingestein

Für Kristallingestein sind im Bereich der diskutierten Auslegungstemperaturen in Endlagerkonzepten keine wesentlichen sicherheitsrelevanten Prozesse zu erwarten. Vielmehr ist die Temperaturbeständigkeit von tonhaltigen geotechnischen Barrieren für die Festlegung von Auslegungstemperaturen von Relevanz.

Unabhängig vom Wirtsgestein gibt es Wechselwirkungen zwischen der Temperatur und der Betriebssicherheit, der Rückholbarkeit (während Betriebsphase) und einer zu ermöglichenden Bergung (bis 500 Jahre nach Verschluss). So kann eine höhere Temperatur an der Außenfläche die Handhabung bzw. den Transport des Behälters erschweren oder zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich machen.

Welche Temperatur-begrenzungen werden international diskutiert?

Viele Konzepte, die auf Barrieren aus tonhaltigem Material basieren, verwenden eine maximale Temperatur von bis zu 100 °C mit Bezugspunkt im tonhaltigen Material (also nicht unbedingt auf die Außenfläche der Behälter bezogen, wie im deutschen Regelwerk). Im Steinsalz werden im Allgemeinen höhere Temperaturgrenzwerte wie z. B. 200 °C vorgesehen.

Nach welchen Kriterien wird der Endlagerstandort gesucht?

In einem ersten Schritt werden die im Standortauswahlgesetz formulierten Ausschlusskriterien wie Vulkanismus, Erdbeben und Bergbau geprüft. Regionen/Standorte, die eines dieser Kriterien erfüllen, sind nicht für ein Endlager geeignet.

Im nächsten Schritt wird geprüft, welche Gebiete die sogenannten Mindestanforderungen erfüllen. Demnach sollen u.a. mindestens 300 Meter Gestein das Endlager von der Erdoberfläche trennen. Eine ausreichend mächtige Schicht aus Tongestein, Steinsalz oder Kristallingestein (z.B. Granit) soll die hochradioaktiven Abfälle umgeben. Nur Regionen bzw. Standorte, die alle Mindestanforderungen erfüllen, sind für ein Endlager geeignet.

Zwischen den dann verbleibenden Gebieten werden weitere geowissenschaftliche Vor- und Nachteile abgewogen. Hierzu werden die im StandAG formulierten geowissenschaftlichen Abwägungskriterien angewendet.

Beispielsweise wird geprüft, inwiefern radioaktive Stoffe über Wasserpfade an die Erdoberfläche gelangen könnten oder wie gut das Gestein, das die Abfälle umschließt, die gefährlichen Stoffe zurückhalten und so am Übergang in die Biosphäre hindern kann.

Erst bei vergleichbaren geologischen Voraussetzungen werden die sogenannten planungswissenschaftlichen Abwägungskriterien angewendet. So sollen Naturschutzgebiete, Kulturdenkmäler oder dicht besiedelte Gebiete möglichst nicht beeinträchtigt werden.

Die Ausschluss- und Abwägungskriterien sowie die Mindestanforderungen werden in jeder Phase des Standortauswahlverfahrens von der Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH angewendet.

Was sind geowissenschaftliche Abwägungskriterien?

Anhand geowissenschaftlicher Abwägungskriterien wird bewertet, ob in einem Gebiet eine günstige geologische Gesamtsituation vorliegt. Zu diesen Kriterien zählen zum Beispiel Gasbildung und Transport von Grundwasser im Gebirge. Auch das Volumen des Gebirgsbereichs und die Temperaturverträglichkeit des Gebirges werden berücksichtigt. Die Kriterien werden in den Anlagen 1 bis 11 des Standortauswahlgesetzes festgelegt.

Was sind planungswissenschaftliche Abwägungskriterien?

Zu den planungswissenschaftlichen Abwägungskriterien zählen zum Beispiel der Abstand eines möglichen Endlagerstandortes zu bebauter Fläche, oberflächennahe Grundwasservorkommen zur Trinkwassergewinnung oder ob es sich um ein Naturschutzgebiet handelt. Anhand dieser und weiterer in Anlage 12 des Standortauswahlgesetzes genannter Kriterien lassen sich große, gemäß der Mindestanforderungen und Ausschlusskriterien potenziell für ein Endlager geeignete Gebiete weiter einengen. Die planungswissenschaftlichen Abwägungskriterien werden erstmals am Ende der ersten Phase, also bei der Ermittlung von Standortregionen für die übertägige Erkundung, angewendet werden.

Werden die voraussichtlichen Auswirkungen des Klimawandels bei der Endlagersuche berücksichtigt?

Bei der Suche nach einem Endlagerstandort werden zukünftige klimatische Veränderungen und deren Einfluss auf das Endlagersystem eines potentiellen Endlagers berücksichtigt. Diese Analysen sind Teil der vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen, die bewerten sollen, ob die notwendige Sicherheit über den langen Zeitraum von einer Million Jahre gewährleistet werden kann. Vorläufige Sicherheitsuntersuchungen sind von der BGE mbH in jeder Phase des Standortauswahlverfahrens für jeden Untersuchungsraum durchzuführen. Im Standortauswahlverfahren sind die vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen erstmals für die von der BGE mbH ermittelten und im Zwischenbericht dargestellten Teilgebiete anzuwenden (repräsentative vorläufige Sicherheitsuntersuchungen).